Die Welt ist nicht bunt - für viele
Ich kann switcher5059 schon sehr gut verstehen. Viele Heteros geben sich sehr offen, drehen sich aber angewidert weg, wenn sie zwei fickende Kerle sehen. Oder Männer, die sich selbst als „bi“ bezeichnen, aber hinter (mehr oder weniger) vorgehaltener Hand lustig machen über sich küssende Männer, weil die „schwul“ seien (obwohl es auch Bi-Männer sind). Ich weiß nicht, wie viele Frauen Toy kennengelernt hat, die sich als bi bezeichnen und damit meinen „wenn ich geleckt werde, mache ich die Augen zu, dann ist mir egal, ob das M oder W tut“ — Lust auf eine FRAU haben die wenigsten Bi-Frauen nach unserer Erfahrung. Und so weiter und so fort...
Es ist selbst in der BDSM-Szene so, dass die Leute dort für sich in Anspruch nehmen, „anders“ zu sein. Tauchen da aber Leute auf, die „anders anders“ sind, werden sie kopfschüttelnd ausgeschlossen, weil das ja keine „richtigen BDSMer“ sind.
Nein, von der Illusion, dass die Welt bunt ist, habe ich mich verabschiedet. Für manche ist sie schwarz-weiß, für andere rot-blau, für wieder andere grün-gelb, aber BUNT ist sie nur für ganz wenige.
Wer uns kennt, der weiß, dass wir in keine Schublade passen. Das klingt besser als es ist, weil man in letzter Konsequenz auch nirgendwo dazugehört, weil man überall aneckt. Beispiel: Ich küsse meine männlichen Freunde (die das auch tun) zur Begrüßung auch in aller Öffentlichkeit und weiß, wie „ach so tolerante Menschen“ gucken wenn ich das tue. Ganz normale Freunde, mit denen ich keineswegs Sex habe.
In unserem Freundeskreis sammeln sich (wohl gerade deshalb) solche „bunten“ Leute ganz gern, ich denke da sehr gern an unsere Hochzeitsparty im Catonium zurück, als vor fast zehn Jahren wir eben diese Freunde zu sehr spannenden „Interaktionen“ gewillt waren, ohne dass man da etwas forcieren musste. Da schwärmt der schwule Freund von den tollen Titten einer Freundin, um die er sie furchtbar beneidet und wird dabei „erwischt“ wie er in Partylaune eine Frau leckt, obwohl er wirklich stockschwul ist. Und so weiter und so fort.
Übrigens wäre nichts von den tollen Sachen passiert, wenn wir separate Zonen eingerichtet hätten, auch wenn das zweifellos gut gemeint ist, eine „Schutzzone für Frauen“ einzurichten. Die queere Szene LEBT von den Gegensätzen, vom Aufeinanderprallen völlig inkompatibler Leidenschaften, bei denen sich herausstellt, dass sie ggf. eben doch kompatibel sind. Dann lernt ein schwuler Mann eine interessante Sub kennen — und plötzlich bekommt sie Lust, ihm zu befehlen (!) sie zu lecken (gerade WEIL er schwul ist) und er macht das nicht deshalb mit, weil er submissiv ist, sondern weil er gerade in diesem Moment die Vorstellung spannend findet, etwas (für ihn) völlig Abwegiges zu tun. So kam es zu obiger Szene mit dem schwulen Mann der (zum ersten Mal überhaupt mit weit über 40) eine Frau leckt.
In meinen vielen Jahren in der queeren Szene hab ich lauter Volk kennengelernt, die Dinge machen, über die man im JC nicht schreiben darf (alles legal!) oder die Sex mit Stofftieren haben oder es erregend finden, in Pferdeverkleidung Kutschen zu ziehen und was weiß ich nicht alles (DAS ist das Umfeld, das mich für BDSM und Bi-Sex öffnete (denn vorher habe ich (wirklich!) beides als perversen Kram gestörter Leute abgetan). Da sind auch lauter Sachen dabei, die mir sicher so überhaupt nichts geben, aber ich würde mich darüber nie lustig machen oder es als krank bezeichnen, weil jemand sein Kuscheltier fickt (hey, immerhin verprügele ich Frauen!). DAS habe ich in der queeren Szene gelernt und ich bin dankbar dafür.
Es ist noch gar nicht SO lange her, dass ich einer hochgradig erregten Frau erlaubt (sic!) habe, sich an meinem Hosenbein zu reiben um sich zu befriedigen (wie eine läufige...) und ihr war das furchtbar egal, WIE demütigend das für sie ist - ich hab es genossen und sie auch! Wer bin ich, mich über andere lustig zu machen???
Ich kenne Tanja, Matthias, Robby & Co. inzwischen recht gut und wenn es Betreiber gibt, die keine Toleranzgrenzen setzen, dann sind das sicher die vom FR. Wenn es einen Club gibt, wo man das machen kann, dann das FR.
Für mich ist aber leider absehbar, dass das ein „ganz normaler Abend“ im FR werden wird (was ja nichts Schlechtes ist, die ganz normalen Abende im FR sind toll!), aber queere Leute werden Veranstaltungen eher fernbleiben, wo auch nicht-queere Leute herumlaufen. Weil sie Erfahrungen gemacht haben wie die oben beschriebenen. So wie schwule Männer (leider!) in aller Regel nur auf die Schwulenparties im FR kommen, selten auf die „normalen“, obwohl sie echt eine Bereicherung wären.
Das Problem ist: Nur mit solchen „bunten“ Leuten kriegt man die Hütte nicht voll, eben WEIL sie so selten sind. Insofern ist das Ansinnen natürlich verständlich, aber es wird nicht dazu führen, dass nicht-queere Menschen sich öffnen. Und eben das wissen queere Menschen.
Ralf
Nachtrag: Vor einer Weile war ein Paar im Club, er (so glaube ich) im Anzug, sie nur in Heels und Herren-Oberhemd. Die Resonanz war (gelinde gesagt) bescheiden, ich fand’s kreativ und „anders“ im positiven Sinne (die FR-Betreiber übrigens auch). Sowas sieht man viel zu selten. Wie auch die Frau im knallgrünen Kleid, die ich direkt angesprochen habe um ihr zu danken, dass sie mal Farbe in die Bude bringt.
Ich hätte wirklich gern mehr davon: Kreative Outfits abseits des Swinger-Mainstream, Schwule, Lesben, DWT mit Hasen- oder Katzenohren auf dem Kopf, etc.